Das Geld in
Literatur und Kulturgeschichte
Geld, in seiner Vielfalt und Einfalt, begegnet uns überall in der Geschichte. Meist liegt das Augenmerk auf der ökonomischen oder politischen Rückschau. Doch oftmals lohnt auch ein Blick weiter "abseits" des Weges.
Eine kuratierte Sammlung voller spannender Einblicke von Renate Börger.
Johann Wolfgang von Goethe
(1782 – 1832)
„So wenig nun die Dampfmaschinen zu dämpfen sind, so wenig ist dies auch
im Sittlichen möglich; die Lebhaftigkeit des Handels, das Durchrauschen des
Papiergelds, das Anschwellen der Schulden, um Schulden zu bezahlen, das alles
sind die ungeheuren Elemente, auf die gegenwärtig ein junger Mann gesetzt
ist. Wohl ihm, wenn er von der Natur mit mäßigem, ruhigem Sinn begabt ist, um
weder unverhältnismäßige Forderungen an die Welt zu machen noch auch von ihr
sich bestimmen zu lassen.“
(Wilhelm Meisters Wanderjahre (1821) - Frankfurt/M. 1982, S. 293.)
Eva von Redecker
(geb. 1980)
"Der Kapitalismus wird inzwischen als Casino betrieben, Wert entsteht nicht an der Werkbank, sondern in Wetten. (S. 137)
[...] Der Konsum erfüllt die Funktion, Menschen in Schuldenspiralen zu locken, als auf die Zukunft wettende KreditnehmerInnen. Nur dass sie die Wette verlieren, weil einfach Leute gar kein Kapital besitzen, an dem sich der von der Zukunft erheischte Gewinn verfangen könnte. Dass es aussichtslos ist, je seinen Schulden zu entkommen, kaschiert jedoch die neoliberale Suggestion, dass wir nicht nur Eigentümer unseres Selbst seien, sondern dieses Selbst auch Kapital. Jeder eine kleine Firma, mit, nun ja, sich selbst im Angebot. Also müssen wir uns selbst verwerten." (S. 58)
(Buch „Revolution für das Leben“ (2020/ Verlag S. Fischer)
Heinrich Heine
(1797 - 1856)
Hier in Frankreich herrscht gegenwärtig die größte Ruhe…
Nur ein leiser, monotoner Tropfenfall.
Das sind die Zinsen, die fortlaufend hinabträufeln in die Kapitalien,
welche beständig anschwellen;
man hört ordentlich wie sie wachsen,
die Reichtümer der Reichen.
Dazwischen das leise Schluchzen der Armut.
Manchmal klirrt etwas wie ein Messer, das gewetzt wird.“
(1848 in der Zeitschrift Lutitia)
Elfriede Jelinek
(geb. 1946)
"Die Arbeit ist die Quelle allen Reichtums und aller Kultur! Und da nutzbringende Arbeit nur in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft möglich ist, gehört der Ertrag der Arbeit unverkürzt, nach gleichem Rechte, allen Gesellschaftsgliedern… Die Natur ist ebenso sehr die Quelle der Gebrauchswerte. Es darf kein deutliches Übergewicht auf der einen oder der anderen Seite geben…
Gerechtigkeit ist Vergeltung und Austausch unter der Voraussetzung einer ungefähr gleichen Machtstellung. Das ist ihr Ursprung. Aber wohin hat er sich verrannt?... Gerecht ist ein sozialer Zustand, der als Ergebnis von Regeln rekonstruiert werden kann, bei deren Anwendung jedes Individuum gleich behandelt wird.“
(Die Kontrakte des Kaufmanns – Eine Wirtschaftskomödie (2009) – aus: Drei Theaterstücke, Reinbek bei Hamburg 2009)
Hannah Arendt
(1906 - 1975)
„Mit großem Tempo entwickelt sich die moderne Wirtschaft notwendigerweise in Richtung einer „waste economy, einer Vergeudungs-Produktion, die jede Ware als Ausschussware behandelt und die Dinge fast so schnell wie sie in der Welt aufscheinen, auch wieder aufbraucht und wegwirft, weil sonst der ganze komplizierte Prozess mit einer plötzlichen Katastrophe enden würde…In einer solchen Konsumgesellschaft würden wir überhaupt nicht mehr in einer Welt wohnen, sondern getrieben werden von einem Prozess, in dessen Kreisen Dinge zwar erscheinen und verschwinden, gleichsam auf- und niedergehen, aber niemals lange genug bei uns und um uns verweilen, um für den Lebensprozess in ihrer Mitte auch nur eine Umgebung abzugeben."
(Vita aktiva S. 157ff)
Erich Kästner
(1899 - 1974)
"Der kann sich freuen, der die nicht kennt!
Ihr fragt noch immer: Wen?
Sie borgen sich Geld für fünf Prozent
und leihen es weiter zu zehn.
Sie haben noch nie mit der Wimper gezuckt.
Ihr Herz stand noch niemals still.
Die Differenzen sind ihr Produkt.
(Das kann man verstehen, wie man will.)
Ihr Appetit ist bodenlos. Sie fressen Gott und die Welt.
Sie säen nicht. Sie ernten bloß. Sie schwängern ihr eigenes Geld.
Sie sind die Hexer in Person und zaubern aus hohler Hand.
Sie machen Geld am Telefon und Petroleum aus Sand.
Das Geld wird flüssig. Das Geld wird knapp.
Sie machen das ganz nach Bedarf.
Und schneiden den anderen die Hälse ab.
Papier ist manchmal scharf.
Sie glauben den Regeln der Regeldetri, und glauben nicht recht an Gott.
Sie haben nur eine Sympathie. Sie lieben das Geld. Und das Geld liebt sie. (Doch einmal macht jeder Bankrott.)"
Hymnus auf die Bankiers – aus: Lärm im Spiegel (1929) zitiert nach: Das Erich Kästner Lesebuch, Zürich 1978, S. 69.